Samstag, 26. Dezember 2009

Mein kleiner, subjektiver, cineastsicher Jahresrückblick 2009 - Teil 1

Der Weihnachtsbraten (eigentlich eine Weihnachtspizza) ist verspeist. Der Rotwein ist alle und der Whisky der neben dem Monitor steht schmeckt so gut wie er teuer war. Die Geschenke sind ausgepackt, die Freude ist erbärmlich klein (oh toll Mutter, Nasenspray) und im Fernseher gibt es mit „Motel“, „Alien 3“ und „Rendezvous mit Joe Black“ gleich drei Horrorfilme zu bestaunen. Ich aber werde jetzt einen Schluck Whisky nehmen (oh ja, ich bin ein ganzer Kerl!) und dass tun was ich eigentlich schon vor einem Monat anfangen wollte: Mein kleiner, subjektiver, cineastischer Jahresrückblick.

Ich bin faul, ja ich bin faul. Während andere sich zu Fuß, mit dem Rad oder zumindest mit dem Auto zur Videothek begeben, lasse ich die Videothek zu mir kommen. Meine geliebte Online-Videothek schickt mir wöchentlich meinen „Stoff“ und alles was ich tun muss ist, die gesehen Filme in den Briefkasten zu werfen. Diese Online-Videothek hat neben der Bequemlichkeit noch einen großen Vorteil: Ihre Sortiment. Bei meiner früheren Dorfvideothek hätte ich einige Filme verpasst, weil zu klein, zu still, zu quer oder einfach nur zu anders sind als die hoch budgetierten Filme aus der Traumfabrik.
Einer dieser Filme, von denen gewiss noch mehrere gleich genannt werden, ist die neuseeländisch Romanze „Eagle vs. Shark“ von Taika Cohen.
"Eagle vs Shark" ist ein merkwürdig- großartiges Kleinod. Die einfache Geschichte von der Liebe zwischen den Verlieren Lily und Jarrod wird so erstklassig erzählt und mit so viel liebenswerten, skurrilen Humorakzenten versehen, dass die etwas penetrante „Achtung: Künstlerisch Wertvoll“-Gewichtung kaum negativ auffällt. Taika Cohens Film ist ein Werk mit scheinbar tausenden von Liebenswürdigkeiten, mal größer mal kleiner aber immer herzlich und oft auch verdammt komisch.
Wenn Faulheit immer so belohnt werden würde, ich saße wohl nur noch zu Hause.

Natürlich war „Eagle vs. Shark“ nicht die einzige großartige Romanze des Filmjahres 2009. Es wäre wirklich peinlich wenn ich nicht auch „Slumdog Millionär“ erwähnen würde, ein Film der wieder einmal deutlich machte, dass das Kino existiert.
Obwohl ich Danny Boyles oscargekröntes Meisterwerk auch auf Blu-Ray hin- und mitreißend fand, so entfaltet sich die Sogwirkung der teilweisen fiebrigen Bilder doch nur auf einer großen Leinwand. Es klingt hart, aber wer „Slumdog Millionär“ nur auf DVD oder Blu-Ray (egal ob 8m-LCD-Fernseher oder Beamer) gesehen hat, hat den Film nie richtig zu spüren bekommen. Großartig bleibt aber wohl selbst auf dem kleinsten Bildschirm.
Um gleich einmal bei den großen Emotionen zu bleiben, es gab da jemanden der mich 2009 so beeindruckte, dass ich den großartigen Sean Penn lange Zeit gehasst habe, weil er und nicht mein Hauptdarsteller des Jahres, den Oscar bekam. Ich meine selbstverständlich Mickey Rourke, der mit seiner Glanzleistung in „The Wrestler“ eine solch hinreißende und atemberaubende Performance ablieferte dass ich noch Stunden nach dem Kinobesuch eine Gänsehaut erster Güte hatte.
Der Film, der zu 100% auf Mickey Rourke zugeschnitten ist, zeigt zum einen die Halbwelt des Wrestling, eine fast schon unwirkliche Zusammensetzung aus Show, Sport und Schmerzen, in der sich die Hauptfigur Randy "The Ram" aber heimisch, ja sogar geborgen fühlt. Für diese Welt musste er allerdings Opfer bringen, sei es sein Gehör, sein Herz oder die Beziehung zu Tochter. Als ihm ein Herzinfarkt aus dieser Geborgenheit reißt und Randy versucht die Wunden seiner Vergangenheit auszukurieren kommt er bald an seine Schmerzgrenze.
Mickey Rourke verkörpert die Rolle des „The Ram“ mit solch einer Hingabe, Aufopferungsbereitschaft und mit so einer unbeschreiblichen Offenheit dass es einem das Herz zerreißt. Wenn Randy versucht sich mit seiner Tochter zu versöhnen und er kurz dabei ist Glück und Sicherheit außerhalb des Wrestling zu finden, gibt er einen Wunsch preis, den er an seine Tochter richtet. Für kurze Zeit wird Randy dieser Wunsch gewährt und auch wenn er mit Kittel und Haarnetz im Supermarkt Schinken verkauft, in dieser Zeit strahlt er so viel Liebe, Glück und Würde aus, dass bei einem selbst einen Rausch des Glücks auslöst, aber er wird fallen und wird einen Entschluss fassen, den er am Ende vor Publikum benennt. Ob dieser Entschluss eine Selbstaufgabe oder der einzig richtige Weg ist, muss jeder selbst entscheiden, eins ist aber sicher mit "The Wrestler" hat Mickey Rourke nicht nur ein famoses Comeback hingelegt, sondern sich auch ein darstellerisches Monument erschaffen, dass über all seine Kritiker, Neider und Spötter stehen wird.

Ebenfalls ein Mahnmal, jedoch nicht gegen vergessene Talente sondern, gegen den Irakkrieg errichtete Hollywood 2009 mehrfach. Alle Filme die das Thema Irakkrieg behandelten waren gut bis sehr gut, aber niemand bekam den Erfolg den er verdiente. Weder der emotionale „Stop-Loss“ mit Ryan Phillipe noch der experimentelle „Redacted“ vom Regie-Altmeister Brian DePalma. Besonders schade: „The Hurt Locker“ von Kathryn Bigelow, der Beweis und ein Paradebeispiel wie man Anspruch und Adrenalin zusammenfügt. Ein Film der den Blutdruck in die Höhe versetzt und gleichzeitig das Hirn zum nachdenken anregt. Kurz: Ein Highlight des Jahres und weiterer Vertreter der Gattung von Filmen die wohl nie die Anzahl von Zuschauern erhalten wird, die er eigentlich verdient hätte. On das Thema Irakkrieg wirklich das große Publikum abschreckt wird sich 2010 zeigen, dann läuft „Green Zone“ mit Matt Damon an, aber dass hier ist ja ein Rückblick aber ich glaube ein Blick in Richtung Zukunft werde ich wohl auch noch anfertigen, aber erst mal hol ich mir noch ein Bier. Nur Whisky allein macht auf Dauer zwar betrunken aber nicht glücklich.

Wie jedes Jahr gab es auch dieses Jahr wieder TRENDS. Dass schöne bzw. wundersame an diesen Trends ist dass einige so tun, als ob man das Kino neu erfindet. Zugegeben, die 3D Technik hätte das Zeug dazu, aber bis jetzt (nein, „Avatar“ hab ich noch nicht gesehen, aber die Karte für eine 3D Vorstellung ist bereits reserviert) ist sie eher eine nette Spielerei, ein Bonus zum kurzzeitigen Staunen. Gespannt wie es weiter geht mit 3D bin ich aber durchaus, aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes hinaus.
Zwei Kinotrends fand ich dieses Jahr besonders auffällig. Zum einen der Vampir-Trend ausgelöst von „Twillight“ was auf deutsch übersetzt wohl so viel heißt wie Mormonisch-mythische Enthaltsamkeitsparabel mit viel Kitsch und vielen hübschen, jungen Menschen die immer ganz bedrückt in die Kamera glotzen.
Ja, ich kann mit „Twilight“ nichts anfangen. Ich finde Robert Pattinson so interessant wie die Sonntagswiederholunge von „Schlag den Raab“ und Kirsten Stewart sieht immer ein wenig so aus als ob sie zu heftig an einem Joint gezogen hätte, aber ich gebe zu, dass der Film handwerklich gut ist und ich kann verstehen das diese Romanze im Emo-Stil mehr Zuschauer findet als „Eagl vs. Shark“ oder „So finster die Nacht“.
„So finster die Nacht“ ist auch ein Vampirfilm, es ist nicht ganz so direkt eine Liebesgeschichte, aber es geht um Freundschaft, Vertrauen, Einsamkeit und (na klar) Vampire.
Der schwedische Film nach dem Bestseller von John Ajvide Lindqvist ist schön morbide, besitzt aber dennoch Zärtlichkeit, die er jedoch hinter einer großen Wolke aus Pessimismus und Finsternis versteckt. Es sind die wundervollen, jungen Darsteller, die „So finster die Nacht“ zum besten Vampirfilm seit langem machen, denn sie verleihen ihren Figuren Charisma, wahre Persönlichkeit und geben ihren Stärken und Schwächen eindringliche Gesichter.
Aber auch die handwerkliche Seite ist sehr überzeugend. Mit Bildern, vollgestopft mit Ruhe, Mystik und moderner Morbidität erzählt der Film seine Story.
Moderne Morbidität? Ja, was früher die Spukschlösser mit ihren Spinnweben und knarrenden Türen waren sind heute die anonymen Wohnsiedlungen der Vororte, in denen „So finster die Nacht“ spielt. Dieser inszenatorische Clou alleine macht den Film schon sehenswert, aber die diversen Verweise auf andere Mythen, die zarte Freundschaftsgeschichte zwischen Oskar und Vampirin Eli, sowie der Mut gängige Konventionen und Moralvorstellungen zu brechen oder auszuhebeln machen aus diesem Film ein wunderschönes und zugleich wirkliches gruseliges Erlebnis. Das Hollywood-Remake soll bald gedreht werden.

Verehrte/r Leser/in. Nun folgt ein Intermezzo, damit ich in Ruhe meinen Whisky trinken kann

FILME DIE ICH 2009 LEIDER VERPASST HABE
„DURST“ VON PARK CHAN-WOOK
„DAS WEIßE BAND“ VON MICHAEL HANEKE
„TAKING WOODSTOCK“ VON ANG LEE
„ZOMBIELAND“ VON RUBEN FLEISCHER
„WO DIE WILDEN KERLE WOHNEN“ VON SPIKE JONZE
„ANTICHRIST“ VON LARS VON TRIER

Ein weiterer Trend sind Comicverfilmungen, auch wenn dieser Trend noch schon einige Jahre auf den Buckel hat.
2009 durften sich Fans des ewigen Bad Guy Wolverine freuen, denn mit „X-Men Origins: Wolverine“ lief endlich das lang ersehnte Spin Of an. Ich mach's kurz und wiederhole mich: Der Film ist nett, aber im Gegensatz zu den Comics viel zu zahm und viel zu brav. Wolverines „Fuck You“ - Attitüde wurde für eine niedrige Altersfreigabe gelöscht – ärgerlich. Ärgerlich vor allem weil 20h Century Fox den Film nur geschnitten in den deutschen Kino laufen ließ (http://www.schnittberichte.com/news.php?ID=1352) und dann bei der DVD-Veröffentlichung großspurig eine Extended Edition anpries. Diese ist jedoch nur um wenige Sekunden länger und der Film ist dennoch, wie im Kino, ab 16. Dass stinkt nach übelster Abzocke. Pfui Fox!
Zum Glück gab es aber Comichelden die das hielten was sie, bzw. ihre Comicvorlage versprach, nämlich geistvolle wie wilde Unterhaltung mit dem besonderen Pfiff. Lady and Gentleman here are „The Watchmen“.
Die gefeierte Comic-Novelle von Dave Gibbons und alan Moore war einer der Projekte die eigentlich als unverfilmbar galt. Dies ist aber kein Hindernis und so inszenierte Zack Synder einen vielfältigen, intelligenten und sehr besonderen Film.
Snyders Version der "Watchmen" ist seltsam- grandios. Ein Film der zum einen den üblichen Konventionen des modernen Actionfilms frönt, nur um wenig später dem von Hollywood Herangezüchteten Massengeschmack einen Tritt in den Hintern zu verpassen. Anders wie bei „300“ stellt sich die Verfilmung nämlich nicht bloß in den Dienst von bloßen Euphemismen, sondern spielt ein markantes Spiel mit Handlungen, Charakteren und den verschiedenen Stilkompositionen der bekannten Mythen der Comicwelt. Dieses, mit anarchistischer Souveränität geführtes, Spiel wirkt in seinen Einzelheiten oft burlesk bis kurios, ja manchmal schon albern, im ganzen betrachtet bereichert es den Film und hebt ihn von all den anderen Superheldenverfilmung und sein sie noch so gut, ab.
Die Verfilmung der "Watchmen" kam dazu genau zur richtigen Zeit. Moderne Superheldenfilme wie "Spiderman" oder "X-Men" haben dem Genre extrem gesättigt. Die destruktive Kraft der "Watchmen" könnte dieses Brachland wieder in fruchtbaren Boden für neue Ideen und Mythen verwandeln. Man bezahlt aber auch einen hohen Preis. So verfällt Regisseur Zack Snyder gerade in der ersten Hälfte der Langsamkeit und die Philosophien von Zeit und menschlicher Existenz die der gottgleiche Dr. Manhattan preisgibt, wirken des Öfteren sehr aufgesetzt und manchmal sogar etwas renitent. Aber diese Schwächen sind mehr als nur zu verschmerzen, denn „Watchmen“ zeigt mit all seiner Einzigartigkeit so viel Mut, wie es schon lange kein 100 Millionen Dollar Film mehr getan hat. Wer dachte das die meisterhafte Tragödie eines „The Dark Knight“ bereits mutig war, der muss nach den „Watchmen“ umdenken, denn spätestens beim Finale, dass mit bitterer Ironie und Melancholie durchzogen ist, wird klar dass diese Helden in keine Schublade passen. Eine für Hollywood- Verhältnisse wirklich bemerkenswerte Superkraft.
Bemerkenswert, jedoch in negativer Hinsicht ist dass Paramount und Warner sich bis heute weigern den Director's Cut sowie den Ultimate Cut in Euopra auf DVD oder Blu-Ray zu veröffentlichen, was wohl damit zu tun hat, dass auch „Watchmen“ zu den Filmen gehört die leider nicht das ganz große Publikum erreicht habe.

Ein Film der zu den erfolgreichsten des Jahres gehört war „Star Trek“ und für mich persönich war es ein herrlicher Kinobesuch, denn eigentlich finde ich Cpt. Kirk, Raumsciff Enterprise und Klingonen zum kotzen, aber der Neustart der Filmreihe (auf fachchinesisch auch Reboot genannt) bietet bestes Popcornkino. Tolle Effekte, eine große Portion Witz, schöne Actionszenen, nett gezeichnete Figuren und den Mut das verstaubte Franchise in neue Bahnen zu lenken.
„Star Trek“ war einer der besten Blockbuster 2009 und ließ den inspirationslosen „Terminator- Die Erlösung“ weit hinter sich. Aber hey, dank des vierten Terminators weiß ich jetzt wenigstens eins: Mit Guns N' Roses fängt man Roboter.

Wenn wir schon mal bei Sci-Fi sind, dann wird es Zeit für einen Überraschungshit: „District 9“.

Aber dazu später mehr, ich werde jetzt mein Bier und das letzte bisschen Whisky austrinken und mich dem Fernsehapparat widmen. Heute läuft „Wild Christmas“, kein Top-Hit aber sehenswertes Kontrastprogramm zum lieblichen Weihnachtsmief.
So, jetzt ist auch mal genug für heute. Ich leer jetzt mein Bier und das Whiskyglas und schau ein bisschen TV. Vielleicht mach ich gleich weiter, vielleicht morgen, vielleicht gar nicht. Mal gucken. Bis dahin eine schöne Zeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen